Eines der Ziele dieser Ausgabe ist, die philosophischen Voraussetzungen der "Divina Commedia" durch neue und teilweise erstmals angefertigte deutsche Übersetzungen sowie umfangreiche Einleitungen und Kommentierungen der im engeren Sinne philosophischen Werke Dantes (1265-1321) zu erleichtern.
Doch sie erreicht weit mehr: Sie zeigt den Autor als originellen Denker, der nicht nur einen eigenständigen Beitrag zur Philosophie seiner Zeit geleistet, sondern, einem starken aufklärerischen Impetus folgend, den Adressatenkreis philosophischer Reflexionen von einer kleinen elitären Gruppe auf alle Menschen ausgeweitet hat. Dies führt sowohl zu einem Primat der praktischen Philosophie als auch zu einer Reformation der Sprache, in der philosophiert wird.
Band 1: Das Schreiben an Cangrande,
Band 2: Disputation über das Wasser und die Erde,
Band 3: Über die Beredsamkeit in der Volkssprache,
Band 4: Das Gastmahl I-IV
Mit dieser durchgängig zweisprachig angelegten Edition wird eine Korrektur der stark schulphilosophisch orientierten Historiographie des mittelalterlichen Denkens begründet und eine Ergänzung des gängigen Dantebildes vorgelegt.
Band 1: Das Schreiben an Cangrande
In seinem Schreiben an den Fürsten Cangrande behandelt Dante (1265–1321) literaturhistorisch relevante Fragen, wie z. B. jene nach den Bedeutungsebenen seiner 'Commedia'. In den Ausführungen zur Frage nach der gegenseitigen Abhängigkeit von Sein und Wesen oder bei der Erklärung des zehnten Himmels, dem sog. Empyreum, legt Dante zudem auch in philosophischen und theologischen Fragekomplexen eigenständige Antworten vor.
Band 2: Disputation über das Wasser und die Erde
In der Beantwortung der für das geozentrische Weltbild aristotelisch-ptolemäischer Prägung zentralen Frage, welches der Elemente (Wasser oder Erde) höher liege, legt Dante in gut scholastischer Argumentationsweise seine kosmologischen Auffassungen dar. In der ausführlichen Einleitung wird die Naturphilosophie Dantes in ihren historischen Kontext eingebunden und bewertet.
Band 3: Über die Beredsamkeit in der Volkssprache
In dieser Schrift begründet Dante die Priorität der Volks- und Muttersprache vor der lateinischen Gelehrtensprache und fordert eine italienische Hochsprache. Er untermauert seine Ausführungen durch eine anthropologische Erörterung der menschlichen Sprachfähigkeit. Dank einer originellen Interpretation des biblischen Mythos vom Turmbau von Babel legt er eine vernünftig begründete Neubewertung der Vielfalt und der historischen Entwicklung der Sprachen vor.
Band 4: Das Gastmahl I. Buch I. Einleitung
Mit dem 'Convivio', dem ersten bedeutenden philosophischen Werk in der italienischen Volkssprache, sprengte Dante Alighieri (1265–1321) den verengten Rahmen der bildungselitären scholastischen Universitätsphilosophie. Der bedeutendste Dichter der Mittelalters setzt seine Einführung in die Philosophie als Gastmahl in Szene und macht durch Kommentierung einem nicht-universitären Publikum von Männern und Frauen den wahren philosophischen Gehalt seiner Kanzonen sichtbar. Ursprünglich als Kommentar zu 14 Gedichten angelegt, hat Dante das erste Buch als Einleitung zum gesamten Projekt konzipiert, in den weiteren drei Büchern jedoch nur noch je eine Kanzone ausgelegt.
Im ersten Buch des 'Convivio' erläutert und verteidigt Dante sein Vorhaben. Es bietet den Zugang zu den nachfolgenden drei Büchern, in denen er zur inhaltlichen Vorstellung seiner Philosophie fortschreitet.
Band 4: Das Gastmahl II. Buch II
Im zweiten Buch kommentiert Dante das Gedicht 'Voi che 'ntendendo il terzo ciel movete'. Während er in der buchstäblichen Auslegung die Geschichte seiner zwei großen Lieben erzählt und eine eindrückliche Darstellung des astronomischen Wissens seiner Zeit gibt, wird in der allegorischen Auslegung eine der besungenen Frauen mit der Philosophie identifiziert. Durch diese Reinterpretation wird das Liebesgedicht zu einer enzyklopädischen Darstellung des mittelalterlichen Wissenschaftssystems.
Band 4: Das Gastmahl III. Buch III
Das dritte Buch ist dem Lob der Philosophie gewidmet und beinhaltet eine Glückseligkeitslehre. Im Anschluß an die Erörterungen des Namens und die Bestimmung der wahren Philosophie entwickelt Dante eine Konzeption, wonach die Gott eigene Erkenntnis als Erkenntnis der Dinge in ihm selbst, insofern er deren Ursache ist, ebenfalls als Philosophie zu gelten hat.
Band 4: Das Gastmahl IV. Buch IV
Im vierten und letzten Buch, mit dem die Edition des 'Convivio' abgeschlossen ist, interpretiert Dante sein Gedicht 'Le dolci rime d'amor ch' i' solia' und erörtert die komplexe Frage der wahren Edelkeit. In diesem Rahmen diskutiert er den Umfang der kaiserlicher Macht und die Bedeutung des Römischen Reiches sowie das Verhältnis von Philosophie und Politik bzw. von philosophischer und politischer Kompetenz.
Die Bewertung des Römischen Reiches und die Erörterung der Autorität des Aristoteles für die Philosophie und das menschliche Denken schlechthin implizieren eine Stellungnahme zur Beziehung zwischen christlicher und antik-heidnischer Weltauffassung.
Dante Alighieri wird 1265 in Florenz geboren. Er erhält seine Ausbildung bei dem berühmten Rhetoriklehrer Brunetto Latini. Im Anschluß widmet er sich dem Studium philosophischer und politischer Schriften antiker und zeitgenössischer Autoren.
1292/93 schreibt Dante die Vita Nuova, eines der bedeutendsten Gedichtzyklen der europäischen Literatur. Ab 1295 nimmt Dante aktiv am politischen Leben Teil und begibt sich in Opposition zur Politik von Papst Bonifatius VIII. 1302 wird er staatsfeindlicher Umtriebe bezichtigt, aus Florenz verbannt und schließlich zum Tode verurteilt. Es beginnt die Zeit eines langen Exils – Dante wird den Rest seins Lebens ein politischer Flüchtling sein.
In den ersten Jahren des Exils, das er an verschiedenen italienischen Höfen verbringt, entstehen die Schriften De vulgari eloquentia und Convivio. In De vulgari eloquentia begründet Dante die Priorität der Volkssprache vor der lateinischen Gelehrtensprache und fordert eine italienische Hochsprache – mit Erfolg: das altflorentinische wurde zur Grundlagen des heutigen Italienisch. Das Convivio ist Dantes philosophische Kommentierung eigener Canzonen. Auf 15 Bände angelegt, soll es einen Überblick über das gesamte Wissen der damaligen Zeit geben. Beide Schriften bleiben unvollendet. 1313 verfaßt er die Monarchia, eine Darstellung seiner politischen Philosophie, in der er die Notwendigkeit eines überstaatlichen Heiligen Römischen Reiches sowie die völligen Trennung zwischen Kirche und Staat begründet. In den letzten Lebensjahren schreibt er die kosmologische Abhandlung Quaestio de aqua et terra. Kurz vor seinem Tod vollendet er die Divina Commedia, ein episches Meisterwerk, das in mehr als 25 Sprachen übersetzt wird. Dante stirbt 1321 in Ravenna.